Reizthema Veganismus.


Warum lösen manche Themen teilweise regelrechte Aggressionen aus? Warum kann man sich über manches nur erschwert sachlich unterhalten? Liegt es am Thema oder ist es vielmehr den betreffenden Personen, die ein solches repräsentieren und vertreten geschuldet, dass eine sinnvolle Kommunikation oftmals fehlschlägt?

Veganismus eckt an. Es ist für manche ein Reizthema. Eine Art rotes Tuch.
Doch warum?

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Von Veganern und Extremisten

Veganer sind Extremisten. Nazis. Weltverbesserer. Gutmenschen. Solche, die sich generell für etwas Besseres halten. Moralapostel. Sebsternannte Missionare und so weiter.
Ich denke, die Liste der Negativbegriffe könnte man noch ewig so fortführen. Wohl alles Begriffe, die eines zum Ausdruck bringen sollen:

Veganismus oder Veganersein hat einen negativen Touch.

Doch warum?

Als Veganer möchte man vorrangig nichts Böses. Im Gegenteil. Häufige Beweggründe sind in 4 Kategorien einzuteilen: Tierschutz, Umweltschutz, Gesundheit und soziale Aspekte (Menschen).

Was an diesen Punkten ist negativ?

So gesehen wohl erst einmal nichts. Dass Veganismus extrem erscheint, lässt sich erst einmal nicht von der Hand weisen. Zumindest im Vergleich zu dem, was in unserer Gesellschaft normalerweise für normal angesehen wird. Insofern das Essen von Tierprodukten. Eine Ernährung so vollkommen ohne genau das erscheint dann erst einmal extrem. Ist es doch das genaue Gegenteil zur großen Norm.

Aus dieser Sichtweise durchaus verständlich und nachvollziehbar. Doch warum werden Veganern dann manchmal abwertende Begriffe entgegnet? Die wohl häufigsten, zumindest solche, die mir schon öfter begegnet sind, wären u.a. Extremist, Nazi und Gutmensch.

Was ist ein Extremist?

Laut Definition:

„Eine Person, welche extreme politische oder religiöse Ansichten vertritt und sich insbesondere illegaler, gewalttätiger oder anderer extremer Aktivitäten bedient.“

Gut, Veganismus vertritt schon mitunter extreme Ansichten. So zum Beispiel, dass man generell auf Tierprodukte verzichtet. Nicht nur beim Essen, sondern auch in Sachen Kleidung, Kosmetik, Reinigungsmitteln usw.
Doch gewalttätige Aktionen um die eigenen Ziele durchzusetzen? Von meinem persönlichen Standpunkt aus betrachtet, steht Veganismus der Ausübung von Gewalt entgegen. Insofern ergibt diese Bezeichnung für mich keinen wirklichen Sinn.

Was ist ein Nazi?

„1) Kurzform für einen Anhänger des Nationalsozialismus, im engeren Sinne: für einen Anhänger Adolf Hitlers
2) Schimpfwort gegen einen Ausländerfeind oder Rechtsextremisten
3) Beleidigung gegen jemanden, der die eigenen Verhaltensnormen absolut stellt und anderen aufzwingt“

Hm, Letzteres könnte durchaus treffend sein. Wohl gemerkt als Schimpfwort für zu starken „Missionierungseifer“. Im engeren Sinne gilt jedoch wohl Ersteres und Zweites.
Aus meiner Sicht macht aber auch dieser Begriff keinen wirklichen Sinn. Denn, ausgehend von Punkt eins und zwei, ist ein Nazi jemand, der für die Durchsetzung seiner Ziele Gewalt gegen andere Menschen ausübte. Jemand, der die Ansicht vertrat/vertritt eine Menschengruppe sei besser als die andere.
Nazis sorgten für den Holocaust, steckten Menschen in Konzentrationslager, in welchen sie elendig verendeten.
Aus meiner Sicht versucht man durch Verwendung dieses Begriffes im Grunde sich selbst zum Opfer zu machen. Doch Opfer von was? Davon, dass ein anderer eine andere Meinung vertritt? Oder davon, dass man auf Missstände aufmerksam zu machen und andere zu Nachdenken anzuregen versucht?

Was ist ein Gutmensch?

„Ein Mensch, der sich in einer als unkritisch, übertrieben, nervtötend o. ä. empfundenen Weise im Sinne der Political Correctness verhält, sich für die Political Correctness einsetzt.“

Unwort des Jahres 2015. Und meist verhöhnend gegen solche eingesetzt, die sich, aus Sicht des Wortverwenders, für etwas Besseres oder für überlegen halten. Als Bezeichnung für jemanden, der denkt er sei anderen moralisch überlegen usw.

Was ich mich bei allen diesen Begriffen frage ist: Warum muss man sich überhaupt solcher Bezeichnungen bedienen?

 

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Vom Klischee des missionierenden Veganers.

Wenn jemand heraus findet, dass ich vegan lebe oder mich auf diese Weise ernähre, dann meist durch Fragestellung von außen. So zum Beispiel, wenn jemand mitbekommt, dass ich sage, dass ich kein Fleisch esse oder oft Obst esse. Von mir selbst kommt dieses Thema eher selten zur Sprache.
Ich habe auch noch nie selbst erlebt wie ein Veganer oder Vegetarier jemanden, der sich mischköstlich ernährt beschimpft hat. Oder ständig dem anderen seine Meinung aufgezwängt hat.
Für mich sind solche Berichte, über schlechte Erfahrungen mit Veganern, meist schlicht irgendwelche Erzählungen. Davon abgesehen sind sogenannte schlechte Erfahrungen aus meiner Sicht nur ein minderer Argumentationspunkt. Denn als Veganer macht man ebenso schlechte Erfahrungen mit Mischköstlern. Wohl gemerkt sind mir Begriffe wie Extremist, Nazi und Gutmensch auch schon begegnet.

Eine Münze hat also immer zwei Seiten, nie nur eine. 

Davon abgesehen, wenn einem etwas wichtig ist, dann möchte man natürlich auch, dass andere mal darüber nachdenken oder sich informieren. Genau aus diesem Grund habe ich vor über zwei Jahren diesen Blog hier gestartet. Denn das Thema ist mir einfach wichtig. Es ist aus meiner Sicht auch nichts was nur einen selbst betrifft. Es geht bei der Diskussion ob Tierproduktekonsum in Ordnung ist oder nicht, nicht einfach nur darum was einem besser schmeckt. Ob man Pizza oder Spaghetti lieber mag oder dergleichen.
Das was wir essen, in diesem Sinne Tierprodukte, hat nachgewiesenermaßen negative Auswirkungen auf Menschen, Tiere und die Umwelt.

Manchmal erscheint es mir auch so, dass es teilweise auch keine Rolle spielt, was man sagt oder wie man es sagt oder aber auch wie man sich verhält. Manchmal stößt schon allein das Wissen darum, dass sich ein Veganer im Raum befindet negativ auf.

Genau das untermauert auch folgende Studie (Rationalizing meat consumption. The 4Ns) von Dr. Jared Piazza, durchgeführt in der psychologischen Fakultät der Lancaster University.
Die Rede ist vom sogenannten Fleisch-Paradoxon und den 4-N-Argumenten für Fleischverzehr.

 

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Die 4-N-Argumente:

Warum essen Sie Fleisch? Genau diese Frage stellte Dr. Piazza den Probanten seiner Studie. Und dabei heraus kam folgendes:

1. Natural: Ich esse Fleisch, weil Fleisch die natürliche Nahrung des Menschen ist und dies schon immer war. Der Mensch ist natürlicherweise ein Allesesser.

2. Necessary: Ich esse Fleisch, weil Fleisch notwendig, ja lebenswichtig ist. Es versorgt mich mit essentiellen Nährstoffen.

3. Normal: Ich esse Fleisch, weil Fleisch für mich normal ist. Ich bin damit aufgewachsen und bin es gewöhnt, Fleisch zu essen.

4. Nice: Ich esse Fleisch, weil Fleisch essen Spass macht und Fleisch einfach lecker ist.

Laut Dr. Piazza haben Menschen, die ihren Fleischkonsum mit den 4 Ns rechtfertigen  gewisse Charaktermerkmale gemein, die sie eindeutig von vegetarisch lebenden Menschen unterscheiden. Sie degradieren Tiere beispielsweise gerne zu „Sachen“ und trauen ihnen auch sehr viel weniger mentale Fähigkeiten zu, als das Vegetarier oder Veganer tun. Ethische Kriterien bei der Lebensmittelauswahl kommen bei ihnen kaum zur Anwendung.
Weiter wird dann gerne auch zwischen Haus- und Nutztier differenziert. Während man versucht dem Hund oder seiner Katze ein schönes Leben zu ermöglichen, gilt dasselbe jedoch nicht für Huhn, Schwein oder Rind in Massentierhaltung.

Damit dieser Widerspruch im eigenen Verhalten nicht weiter auffällt, so Piazza, redet man sich die 4 Ns immer wieder ein, um damit am eigenen Essverhalten festzuhalten. Obwohl man eigentlich, vorwiegend unbewusst, weiß, dass Fleischkonsum längst nicht mehr so harmlos ist wie man es gerne hätte. Daher wird, so Dr, Piazza, von ihnen oft schon die bloße Gegenwart eines vegetarisch oder vegan lebenden Menschen als eine Art moralischer Vorwurf empfunden.

Ist eine abwertende Haltung dem Thema gegenüber also nichts weiter als eine Art unterschwelliges Zugeständnis? 

 

Fotos: Pixabay.com

11 Kommentare zu „Reizthema Veganismus.

  1. Mein Internist hält beispielsweise nichts von Veganismus, denn er sieht oft die Folgen des Veganismus, wenn eben nicht genauestens auf Vitamine, Spurenelemente, etc geachtet wird.

    Ich gebe zu, ich habe nichts für vagene Schlauberger und Missionäre übrig, aber ich versuche mich auch bei Fleisch einzuschränken. Die Wahrheit liegt wie immer in der Mitte und nicht an den extremen Endpunkten der Standpunkte.

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    1. Ich denke der Mittelweg ist in manchen Belangen sicher gut. Doch auch wieder nicht allgemeingültig immer das Richtige.
      Es kommt auch darauf an was man mit extrem assoziiert. Etwas kann extrem gut oder auch extrem schlecht sein.
      Vegan mag für viele Mischköstler extrem erscheinen, da man vollkommen auf Tierprodukte verzichtet. Doch dem entgegen ist das was hinter der sogenannten Normalität unserer heutigen Ernährungsweise steckt aus meiner Sicht weit extremer. Tiere auf engstem Raum einzupferchen, Küken zu schreddern für ein paar Eier uvm.
      Dir selbst scheint das ja auch bewusst zu sein, wenn du sagst, dass du versuchst deinen Fleischkonsum einzuschränken.

      Was den gesundheitlichen Aspekt angeht, gibt es auch viele sich mischköstlich ernährende Menschen mit diversen Krankheiten sowie Vitamim B12 Mangel, Calcium und Vitamin D Mangel usw.
      Mischkost ist nicht automatisch gesund nur weil man alles isst. Es kommt entscheidend darauf an wie man sich ernährt.

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  2. Die meisten wissen zu wenig darüber, und haben schon bei Erwähnung des Wortes Vorurteile.
    Bei Nachfragen erschreckt man über die Unwissenheit. 👀

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  3. Ich denke die abwertende Haltung kommt auch davon, dass gewisse Menschen nicht von der Fleischeslust lassen können, und die Aggression eigentlich daher kommt. Ich selber kann nicht vegan leben auf Grund meiner zahlreichen Allergien, besonders auf Nüsse und Soja, und anderer Intoleranzen. Aber ehrlich, es gibt schon Veganer , die verteufeln grundsätzlich alle, die nicht vegan leben können. Dabei muss man bedenken, dass gewisse Menschen eben einfach aus gesundheitlichen Gründen dies nicht anders geht .. leider.. ich wäre gern Veganerin. Liebe Güsse Eva

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    1. Hallo Eva,

      nicht jeder kann sich vegan ernähren. Vor allem dann, wenn wie du selbst sagst, mehrere Lebensmittelintoleranzen vorliegen. Das macht eine solche Ernährungsweise einfach schwer.
      Von daher sollte man das demjenigen dann auch nicht zum Vorwurf machen.

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  4. Guten Morgen! 😊 Ich kann dir (fast) nur zustimmen, was Allesesser angeht. Auf jeder Party kommt man irgendwann auf das Thema Veganismus und es fallen immer die Gleichen absurden Argumente gegen den Veganismus: Mangelerscheinung, Engstirnigkeit. Ich rege mich jedes Mal extrem auf, aber dagegen zu argumentieren hilft nicht, weil es einfach Stammtischniveau ist. Letztens kam „ich habe mich mal aus Interesse mal 2 Wochen vegan ernährt und habe so starke Mangelerscheinungen bekommen! -dramatische Gesichtszüge- “ Wenn man sich nur von Nudeln, Tofu und Tomatensauce ernährt, ist das auch kein Wunder.
    Genau das Gleiche habe ich aber auf einer Veganerparty viel Ablehnung zu spüren bekommen, weil ich selbst alles esse. Den Punkt, dass ich gerne alles ausprobiere und auch viele Sachen übernehme und vielleicht auch gerne mehr in die Richtung gehen würde (aber langsam), war einigen ziemlich egal 😓 Ich denk mal, dass es auf beiden „Seiten“ Deppen gibt, die Minderheit aber gern mal auch wegen schlechtem Gewissen in den Dreck gezogen wird…

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    1. Hi Sue,

      kann dir da nur zustimmen. Deppen gibt es mit Sicherheit auf beiden Seiten. Schade ist es vor allem jedoch, wenn einem durch solche Leute, durch negative Ressonanz, evtl die Lust am Thema genommen wird.
      Dieses Stammtischgeschwätz ist kein fruchtbarer Boden für Kommunikation.
      Dabei geht es ja auch oft weniger darum dich ernsthaft mit dem Thema zu befassen, sondern vielmehr sein eigenes Handeln zu verteidigen
      Nachvollziehbar, da menschlich. Wie ich finde aber nicht hilfreich, da man sich selbst die Chance nimmt Neues kennen zu lernen.
      Dasselbe gilt für oben genannte Verallgemeinerungen wie Veganer seien dies oder jenes.

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