[Gastbeitrag] Was ist Binge Eating und welche Strategien haben mir geholfen, es zu überwinden?


Binge Eating ist noch nicht lange als Krankheit anerkannt und ist doch die am weitesten verbreitete Essstörung. Was ist die Binge-Eating-Störung und wie unterscheidet sie sich von Fressanfällen oder Überessen?
In diesem Beitrag erfährst du, wie du dem mit Binge Eating verbundenen Kreislauf aus Essanfällen, Diäten und Heißhunger entgehen kannst.

Inhaltsverzeichnis

1. Was ist die Binge-Eating-Störung?
2. Binge Eating und Purging: Welche Rolle spielen Diäten?
3. Was sind die Ursachen von Binge Eating und wie unterscheidet es sich von Überessen und Heißhungerattacken?
Heißhungerattacken und Überessen
4. Welche Strategien mir gegen Binge Eating geholfen haben
Schritt 1: Ein gesundes Essverhalten lernen
Schritt 2: Alle Zwangsmaßnahmen aufgeben
Schritt 3: Körperliche Signale wahrnehmen
Übung: Bodyscan
Schritt 4: Gefühle spüren
Übung: Gefühlswortschatz erweitern
Schritt 5: Gedanken zulassen
Übung: Trenne dich räumlich von deinen Gedanken

Leidest du unter wiederkehrenden Fressanfällen?
Isst du große Mengen auf einmal und fühlst dich dem Drang zu essen machtlos ausgeliefert?
Du hast das Gefühl, essen zu müssen und verlierst die Kontrolle über das, was du isst?

Nach der Essattacke bist du voller Wut und Scham, dein Magen schmerzt und du verstehst nicht, wie es wieder so weit kommen konnte.

Du nimmst dir vor, morgen alles anders zu machen.
Doch die Essanfälle kehren immer wieder…

1. Was ist die Binge-Eating-Störung?

Bei der Binge-Eating-Störung (kurz BES) kommt es über einen Zeitraum von sechs Monaten mindestens zweimal wöchentlich zu einem Essanfall, bei dem in kurzer Zeit eine große Menge Nahrung aufgenommen wird.

Weitere Merkmale sind:

  • Schnelles, hastiges Essen;
  • Essen ohne physischen Hunger;
  • Kontrollverlust während des Essanfalls;
  • Die Betroffenen essen über den natürlichen Sättigungspunkt hinaus;
  • Gefühle von Scham, Schuld und Ekel;
  • Die Betroffenen leiden unter den Essanfällen und verheimlichen diese;
  • Es werden keine Gegenmaßnahmen ergriffen (Erbrechen, Abführmittel, exzessiver Sport);
  • In vielen Fällen ist Gewichtszunahme die Folge.

In Deutschland leiden rund zwei Prozent der Bevölkerung an der Binge-Eating-Störung, Männer sind beinah ebenso stark betroffen wie Frauen.
Das Risiko, an der Binge-Eating-Störung zu erkranken, nimmt mit steigendem Alter zu.
Trotz der hohen Verbreitung wurde Binge Eating erst 2013 ins DSM-5 aufgenommen und damit als eigenständige Krankheit anerkannt. Vorher wurde es zu den EDNOS (Eating Disorder Not Otherwise Specified) gezählt.

Aufgrund der Neuheit der Krankheit steckt die Forschung zur Binge-Eating-Störung noch in den Anfängen. Insbesondere scheint unklar, welche Rolle das Purging beim Binge Eating spielt.

2. Binge Eating und Purging: Welche Rolle spielen Diäten?

Die Binge-Eating-Störung ist dadurch definiert, dass nach dem Fressanfall keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
Das unterscheidet die Essstörung von der Bulimie, bei der durch Erbrechen, Hungern, exzessiven Sport oder den Missbrauch von Abführ- oder Brechmitteln versucht wird, den Essanfall zu kompensieren.

Diese Kompensationsmaßnahmen werden unter dem Begriff „Purging“ zusammengefasst.

Was fällt unter den Begriff des Purging?

Binge Eater erbrechen die aufgenommene Nahrung nicht, sie nehmen auch keine Abführmittel ein, ergreifen aber nach einem Essanfall durchaus andere, „sanftere“ Gegenmaßnahmen in Form einer Diät oder Beschränkung der Nahrungsmittelaufnahme.

Beim Purging geht es also vor allem um das Wiederloswerden der Nahrung, nicht um Kompensationshandlungen per se.

Der Unterschied ist wichtig, um einerseits Binge Eating von der Bulimie abzugrenzen und andererseits Diäten als einen Risikofaktor für das Erkranken an der BES sehen zu können.*

*Ein Teil der Forschung zum Binge Eating sieht die Störung als ausschließlich psychisch bedingt. Körperliche Auslöser wie Mangelernährung, Hunger und schwankender Blutzucker werden als Ursachen ausgeschlossen.
Anderen Quellen zufolge können Diäten durchaus die BES auslösen und weiter begünstigen. Das erklärt, warum auch Normalgewichtige an der Binge-Eating-Störung leiden können.

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3. Was sind die Ursachen von Binge Eating und wie unterscheidet es sich von Überessen und Heißhungerattacken?

Heißhungerattacken und Fressanfälle werden umgangssprachlich auch als Binge Eating bezeichnet. Während die Binge-Eating-Störung durch die oben genannten Kriterien eindeutig bestimmt ist, gibt es fließende Übergänge zu gestörtem Essverhalten und Fressanfällen infolge von Diäten oder einem Nährstoffmangel.

Als Ursachen für die BES gelten unter anderem Depressionen und die Unfähigkeit, Gefühle zu benennen und wahrzunehmen. Essanfälle werden von negativen Emotionen ausgelöst, welche durch das hastige Essen nicht mehr gespürt werden.
Die Essanfälle sind also ein klassisches Vermeidungsverhalten.

Auch wenn gezügeltes Essverhalten ein Risikofaktor für die Entstehung der Essstörung ist, so muss diese nicht zwangsläufig durch Diäten verursacht sein. Oft spielen traumatische (Kindheits-)Erlebnisse eine Rolle.

Heißhungerattacken und Überessen

Heißhungerattacken und Überessen sind in vielen Fällen das Ergebnis einer Diätspirale:

Die Unzufriedenheit mit dem eigenen Äußeren führt zu einer Restriktion der Nahrungsaufnahme, häufig in Form einer Diät oder von bestimmten Regeln zur Reduzierung der Kalorienaufnahme (Fasten, Ausschluss von Lebensmittelgruppen).
Durch die Verbote wächst die Gier auf die nicht erlaubten Nahrungsmittel, sowohl körperlich als auch psychisch. Wird der Druck nicht mehr ausgehalten, kommt es zum Essanfall.
Anschließend bereut der Betroffene, „es wieder nicht geschafft zu haben“ und legt sich noch strengere Regeln auf, um die Fressattacke wieder auszugleichen.
Der Teufelskreis nimmt seinen Lauf.

Wie gesagt:
Dieser Kreislauf aus Essverboten und Fressanfällen kann Teil der BES sein, muss es aber nicht.

Die Heilung von BES ist dementsprechend komplexer, wenn zugleich eine Depression oder posttraumatische Belastungsstörung vorliegt.

4. Welche Strategien mir gegen Binge Eating geholfen haben

Disclaimer: Ich bin keine ausgebildete Therapeutin oder Ernährungsberaterin und das Lesen von Texten ersetzt keine Therapie. Die Ratschläge, die ich dir gebe, beruhen auf meinen eigenen Erfahrungen, die ich auf dem langen Weg aus dem Binge Eating und der Bulimie gemacht habe. Wenn du unter einer Essstörung leidest, suche dir bitte Hilfe bei einem Arzt oder Therapeuten.

Schritt 1: Ein gesundes Essverhalten lernen

Wenn du an der Binge-Eating-Störung leidest und adipös bist, ist es wichtig, dein Übergewicht zu reduzieren, um negative Folgen für deine Gesundheit zu vermeiden.
Das machst du am besten in Begleitung eines auf Essstörungen spezialisierten Psychologen.
In der Therapie setzt du dich mit den psychischen Problemen auseinander, die der Krankheit zugrunde liegen, und lernst, dein Essverhalten zu normalisieren.
Dazu gehört, Hunger und Sättigung wieder zu spüren und Freude an Bewegung zu entwickeln.
Ziel der Arbeit an deinem Essverhalten und deinen psychischen Problemen ist es, dich zu (mehr) Selbstliebe und Akzeptanz zu führen, sodass du nicht mehr auf Essen zurückgreifen musst, um mit emotionalen Herausforderungen und deinen Gefühlen zurecht zu kommen.

Schritt 2: Alle Zwangsmaßnahmen aufgeben

Die folgenden Strategien eignen sich für diejenigen, die…
unter der Binge-Eating-Störung leiden, aber nicht stark übergewichtig sind;
mit Heißhungerattacken und Überessen zu kämpfen haben, ohne von der Binge-Eating-Störung im engeren Sinne betroffen zu sein;
das Gefühl haben, in einem Kreislauf aus Diäten und Essanfällen gefangen zu sein.

Ob du Kalorien zählst, fastest, auf Kohlenhydrate verzichtest oder täglich laufen gehst – um das Binge Eating zu stoppen, wäre es ratsam, diese Maßnahmen aufgeben.
Auch, wenn es dir nicht so scheint: Die Einschränkungen der Nahrungsaufnahme halten dich in dem Kreislauf aus Fressanfällen gefangen. Auch Sport, den du machst, um Kalorien zu verbrennen, gehört dazu.

Entscheidend ist, dass du lernst, dir selbst wieder zu vertrauen.
Dazu gehört die bedingungslose Erlaubnis, alles zu essen, worauf du Appetit hast.

Die größte Herausforderung ist hierbei die Angst vor einer Gewichtszunahme. Lass diese Angst zu und unterdrücke sie nicht.

Erst, wenn du wirklich alle Zwangsmaßnahmen aufgegeben hast, kannst du dich mit dem beschäftigen, was und wie du essen möchtest.
Bis dahin ist dein Essverhalten womöglich ungeordnet und chaotisch.
Das ist normal.

Denk daran:
Die wichtigste und zugleich einzige Regel für dich lautet: „Ich darf alles essen, was ich will.“

Schritt 3: Körperliche Signale wahrnehmen

Auch, wenn du deinen Körper verachtest, weil vermeidlich er es ist, der immerzu essen will:
Eigentlich bist du es, sind es deine Diäten und Verzichtsregeln, deine verdrängten Gefühle und Gewohnheiten, die zu den Fressanfällen führen.

Dein Körper ist dein bester Freund, der ständig zu dir spricht und dir sagt, was er braucht.
Leider ist seine Stimme sehr leise und wird von den rasenden Gedanken des Monkey Mind übertönt.

Übung: Bodyscan

Eine großartige Übung, um den Körper wieder mehr zu spüren, ist der Bodyscan.
Lege dich entspannt auf den Rücken und schließe die Augen.
Beginne bei deinen Füßen. Richte deine Aufmerksamkeit auf deine Zehen am rechten Fuß.
Wie fühlen sie sich an? Kannst du alle Zehen wahrnehmen? Wandere weiter zur Fußsohle und zur Oberseite deines Fußes. Wenn du mit dem rechten Fuß und Bein fertig bist, spüre deine linke Seite. Anschließend geht es weiter zu Hüfte, Bauch, Rücken, Armen, Schultern, Hals, Kopf und Gesicht. Eine ausführliche Anleitung findest du hier.

Schritt 4: Gefühle spüren

Emotionen sind im Körper lokalisiert.
Nicht-gefühlte Gefühle verfestigen sich im Körper und können zu Verspannungen und sogar Schmerzen führen.
Letzten Endes ist es einfacher, unangenehme Gefühle zuzulassen und zu spüren, als sie zu unterdrücken.

Es gibt fünf grundlegende Gefühle:

  • Angst
  • Wut
  • Trauer
  • Freude
  • Scham

Diese Basisemotionen sind die Wurzeln für fast alle anderen Gefühle, die ein Mensch empfinden kann.

Übung: Gefühlswortschatz erweitern

Um einen Zugang zu unseren Gefühlen zu bekommen, hilft es, sie benennen und unterscheiden zu können. Je mehr Wörter du für deine Gefühlszustände hast, umso besser kannst du sie wahrnehmen und verstehen.

Lies dir eine Liste mit Gefühlen durch und wähle zwei Gefühle aus:
Ein Gefühl, das dir vertraut ist;
ein Gefühl, das dir eher fremd ist.

Beobachte dich im Laufe der nächsten Tage und finde heraus, wann du diese Gefühle spürst.

Schritt 5: Gedanken zulassen

Auch für Gedanken gilt:
Verdrängen macht alles nur schlimmer, es verstärkt und verfestigt negative Gedanken.

Häufig identifizieren wir uns mit dem, was wir denken.
Es ist wichtig, zu verstehen:
Du bist nicht deine Gedanken.

Gedanken kommen und gehen.

Übung: Trenne dich räumlich von deinen Gedanken

Eine gute Übung, um mit belastenden oder kreisenden Gedanken zurecht zu kommen, ist, sie aufzuschreiben und dich räumlich von ihnen zu distanzieren:

Schreibe einen deiner immer wiederkehrenden Gedanken auf ein großes Blatt Papier und lege es vor dich auf den Boden oder hänge es an die Wand.
Achte auf deine Gefühle: Was macht es mit dir, deine Gedanken außerhalb von dir zu sehen? Wie verändern sie sich?

Welche Erfahrungen hast du mit Binge Eating gemacht? Leidest du unter regelmäßig wiederkehrenden Fressattacken? Versuchst du, die Essanfälle mit Diäten auszugleichen? Ich freue mich auf deinen Kommentar!

Quellen:

Anorexie, Bulimie, Binge-Eating: Essstörungen im Überblick
Essstörungen – diagnostische Kriterien gemäß der American Psychiatric Association
Wikipedia Binge Eating Disorder
Wie häufig sind Essstörungen?
Wikipedia Binge Eating
Binge Eating Disorder and Compulsive Overeating: Are they the same?
Is it Binge Eating Disorder or are you stuck in a vicious cycle?
Gefühle richtig zulassen in 5 Schritten

Fotos: © unsplash.com: Ursula Spaulding (Beitragsbild), Rhendi Rukmana (Regenwetter)

 

Über den Gastautor:
Marion von frugalesglück.de schreibt auf ihrem Blog über Themen wie Nachhaltigkeit, gesunde Ernährung und wie man auch mit weniger ein glückliches Leben führen kann.
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